An einem Tag, an dem ein junger Familienvater zu Grabe getragen wurde, der vor Jahren schon seine Frau durch Suizid verloren hat, stellt sich die Frage nach dem liebenden und/oder allmächtigen Gott ganz ohne akademisches Gehampel. Schon Büchner hatte bei der Frage nach der Vereinbarkeit von Gottes Liebe und Allmacht im Danton vom Fels des Atheismus gesprochen. Gerade wer Christ ist, kann diese Frage nicht beiseite schieben. Scorsese muss von dieser Frage ähnlich berührt worden sein, ging er doch immerhin fast 30 Jahre mit Shusaku Endos Roman Schweigen schwanger, bevor er diesen verfilmen konnte. Der Romantitel bezieht sich im übrigen unmittelbar auf den Umgang Gottes mit dem Leid: Gibt es noch eine andere wahrnehmbare Reaktion Gottes darauf als eben dieses Schweigen.
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Berlin ehrt Weizenbaum mit Institutsgründung
Joseph Weizenbaum, 2008 verstorben, deutsch-amerikanischer Informatiker mit jüdischem Hintergrund wird von der Berliner Senatsverwaltung dadurch geehrt, dass das neue Internet-Institut in der Hardenbergstraße, um dessen Ansiedlung verschiedene Bundesländer konkurriert hatten, seinen Namen erhält.
Weizenbaum erlebte einen Wendepunkt in seiner Informatikerkarriere, als er die völlig naive Rezeption seines Eliza-Programms – ein Simulator, aber eben auch nicht mehr für Gesprächstherapie – bei Menschen in seiner Umgebung registrierte. Weizenbaum lebte seit 1996 überwiegend wieder in Berlin, von wo seine Familie 1935 noch rechtzeitig geflohen war. Sein Hauptwerk Macht der Computer und Ohnmacht der Vernunft ist immer noch ein wichtiges Werk für eine kritische Einordnung der Informatik und die Folgen einer ungebremsten Computerisierung aller Lebensräume.
Zu diesen Themen-Bündeln soll geforscht werden: Arbeit und Innovation, Verträge und Verantwortung auf digitalen Märkten, Governance und Normsetzung, Technikwandel, digitale Bildung sowie Partizipation und Öffentlichkeit.
Das Joe-Weizenbaum-Institut wird in den nächsten 5 Jahren mit Landes- und Bundesmitteln in Höhe von 55 Millionen Euro gefördert. Mit im Boot des Instituts sitzen die Freie Universität Berlin, die Humboldt-Universität, die Universität der Künste Berlin, die TU Berlin, das Fraunhofer-Institut für Offene Kommunikationssysteme und die Universität Potsdam.
„Der Typ ist da” – Ortheil stellt neues Buch in der Kulturkirche vor
Hanns-Josef Ortheil – seit seiner Entdeckung des Lebens hier im Haushalt gerne gelesen – legt mit seiner neuesten Erzählung ein Buch vor, dass den Bezug zu Köln deutlich ausspricht. Ausgangspunkt ist eine unvermutete Begegnung vor der Haustür: Mia, Studentin der Kunstgeschichte im medialen Kontext, trifft bei der Rückkehr auf Matteo, eine Zufallsbekanntschaft aus Venedig. Erst nachdem sie den Zettel von ihm gereicht bekommt, auf dem sie selbst ihre Adresse hinterlassen hat, wird ihr klar, dass ihre unverbindlich gemeinte Besuchsaufforderung beim Wort genommen wurde. Obwohl die drei Frauen der WG – zu dieser gehören noch Xenia, die Café-Betreiberin, und Lisa, die Buchhändlerin – vereinbart haben, keine Männer in der Wohnung übernachten zu lassen, nimmt Mia Matteo mit nach oben.
Brandon Mountain – tema con variazioni
Eigentlich sollte es in diesen Sommerferien der Carrauntoohil sein (immerhin Irlands höchster Berg). Bis auf eine Art Machbarkeitsstudie, die uns bis in die Nähe der Devil’s Ladder und des anschließenden Bergkegels führte, der doch beachtlich nach Skisprungschanze aussieht, wurde nichts daraus.
Dafür musste der Hausberg Brandon Mountain drei mal dran glauben: Den Anstieg vom Brandon Creek kann man bekanntlich bei fast jedem Wetter machen, da er engmaschig mit Wegzeichen markiert ist. Einmal war das Wetter dann glücklicherweise so, dass auch wieder ein Abstieg über Faha Ridge Richtung Cloghane möglich war. (Flimm-Fans hätten sich über die Nebenschwaden, die über das ehemalige Gletschertal zogen, sicher sehr gefreut.) Beim dritten Mal war dann tatsächlich etwas Neues möglich:

Galerie Romanische Nacht
Birne transformiert
Er war unser Lieblingsfeind in den 70er und 80er Jahren: Ein dicker und riesiger Mann mit einer gedehnten, oft geschwollenen Redeweise, der auch die Beimischung des von mir geschätzten Pfälzer Dialekts nicht aufhelfen konnte. Als wir ihn mit der ganzen Familie mal unvermutet in Deidesheim gemeinsam mit dem spanischen König sahen, kam er uns – fernsehentwöhnt wie wir damals waren – wie ein Wesen von einem fremden Stern vor.
Politisch waren die Menschen in meiner Umgebung und ich selbst meist konträr eingestellt zu dem, was die offizielle Regierungspolitik seiner CDU-geführten Regierungen von 1982 bis 1998 anstrebte. Trotzdem musste ich damals zugestehen, dass Kohl Leute in seine Regierungen holte wie Klaus Töpfer, Rita Süßmuth oder Heiner Geißler, denen man Anerkennung kaum verweigern konnte.
Romanische Nacht – die zweite Bescherung
Heilig Abend lief nach einem strikt beachteten Ritual ab: Mein Vater ließ ein Glöckchen ertönen und wir machten uns zu sechsen treppab ins Wohnzimmer auf. Dabei sangen wir ein Weihnachtslied. Der Glanz in den Augen meines Vaters machte klar, wie sehr er selbst dieses Ritual genoss, wenn ihn sonst schon schlecht verdaubare Kriegserlebnisse oder die Entbehrungen seiner Kindheit oft herunterzogen. Jedenfalls ließ ich mich von dieser kindlichen Festtagsfreude anstecken und genoss diesen geheimnisvollen Abend ungemein.
Fast sechzig Jahre später schenken mir die letzten Juni-Tage eine zweite, unter dem Strich dann etwas weniger schwermütige Bescherung: Die Konzerte des Romanischen Sommers, abgehalten in den wiederhergestellten romanischen Kirchen Kölns, gipfeln am letzten Freitag in Sankt Maria im Kapitol in der Romanischen Nacht.
Seit über 25 Jahren gelingt es der Programmleiterin Maria Spering gemeinsam mit Rainer Nonnenmann in dieser Konzertreihe immer wieder, Niegehörtes oder nur den Experten Bekanntes in den Kirchenraum zu zaubern. Wenn ich eine Berufsbezeichnung finden müsste, würde ich Maria Spering als Musikethnologin bezeichnen. In die Sparte Musikethnologie fällt eindeutig das, was am 22. Juni in Maria Lyskirchen das litauische Frauenensemble Trys Keturiose vortrug. Deren Liedform nennt sich Sutartin?s und ist inzwischen als immaterielles Kulturerbe eingestuft. Die Fünf sangen seit Jahrhunderten überlieferte Lieder über Bäume, Bienen oder über eine Hochzeit. Liedrufe einer Vortragenen werden dabei von den anderen Frauen beantwortetet. Fazit: Nichts, was man morgens unter der Dusche hören möchte, aber ein faszinierendes Zeugnis dafür, was mit Stimme in unterschiedlichen Kulturen alles gemacht und ausgedrückt wurde. Ein leichter zugängliches Beispiel für diese Liedform von einem anderen Ensemble findet sich hier.
Der Höhepunkt dieser Veranstaltungsreihe war dann wie immer die Romanische Nacht am 23. Juni. Wichtige Bestandteile dieses vierstündigen (manchmal noch länger dauernden) Konzerts ist der besondere Kirchenraum von Sankt Maria im Kapitol. Der durch den Lettner geteilte Kirchenraum wird auf zwei Bühnen bespielt: Der vordere Teil vor dem Lettner ist strikt auf den Altar bezogen, der hintere Teil erweitert sich in verschiedene Konchen und erinnert durch seine Ausmalung der Rundbögen an die Mezquita in Cordóba. Dies – unterstrichen durch die besondere Ausleuchtung – ist die perfekte Umgebung, um wie in der Vergangenheit so Unterschiedliches wie fernöstliche Musik, Musik der sephardischen Juden (Joglaresa) oder Mittelalterliches von Sequentia vorzustellen. Die zweite Besonderheit dieses Konzertes ist die Möglichkeit, zwischendurch im Kreuzgang der Kirche an einfachen Bänken und Tischen einen Wein oder etwas Essbares zu sich zu nehmen. Das wird gerne genutzt und tut dem konzentrierten Zuhören in der Kirche kaum einen Abbruch.
Auch in diesem Jahr konnte sich das Programm der Romanischen Nacht sehen lassen: Die beiden serbischen Zwillingsbrüder Teofilovíc warteten mit zweistimmigen einfachen Liedern auf, die nur gelegentlich mit einer kleinen Trommel begleitet wurden. Das Rihm-Stück Et Lux war dann das durchkomponierte, eher apollinisch anmutende Gegenstück, das konzentriertes Zuhören erforderte. Matthias Schriefl und Band leiteten dann zu einem Mix aus Bossa Nova, Bairischem und viel Jazz über, bei dem alle Band-Mitglieder mit einer professionellen Beherrschung ihrer Instrumente oder – im Fall von Patricia Cruz – ihrer Stimme zu überzeugen wussten. Ob es dann ein Muttergottes-Mambo vor der Marienstatue sein musste, bleibt Geschmackssache – mitreißende Musik blieb es allemal. Die letzte Gruppe an diesem Abend sprach dann eher auch den Verstand an. Man musste nämlich wissen, dass die Vorlagen von Ordo Virtutem gewissenmaßen aus dem Reißwolf stammten. Nach der Reformation hatten viele bis dahin sorgsam aufgehobenen Musikhandschriften nur noch Materialwert. Diese wurden dann zerstückelt und einer Zweitverwertung zugeführt. Diese Schnipsel konnten dann in mühsamer Rekonstruktionsarbeit so zusammengetragen werden, dass manches davon wieder aufführbar wurde. Ein gelungener und wieder fokussierender Abschluss durch das Ensemble von Stefan Morent – und schön, wenn es weiterhin auch junge Sänger gibt, die an Gregorianik Gefallen finden.
Was mir über die Jahre noch aufgefallen ist: Insgesamt werden die Konzerte nicht mehr von ganz so vielen angenommen. Früher hatte gerade die Romanische Nacht auch etwas Festivalmäßiges an sich, wenn sich junge Leute mit Decken und ähnlichem in die Nischen dieser Kirche lagerten und den Altersdurchschnitt doch beträchtlich senkten. Vielleicht geht da ja in Zukunft noch mal was, wenn die Aufsichten weniger als Feuerpolizei auftreten… Auch für mittelalte und alte Musikliebhaber gibt es bei diesen Konzerten aber viel zu entdecken.
ich schwöre – jetzt auch Trump…
Passiert mindestens fünfmal pro Woche, dass einer meiner Schüler seiner Aussage Nachdruck verleihen will, indem er ein ich schwöre anhängt. Je nach Stimmung sage ich Ich glaube dir auch so oder wir schwören hier nur vor Gericht. Ich würde meine Hauptschüler beleidigen, sie mit dem amerikanischen Amtsinhaber zu vergleichen, dennoch: Wenn Fuck&Fake-Trump jetzt mit großer Emphase unaufgefordert deklamiert, dass er die Aussagen Comeys vor dem Untersuchungsausschuss unter Eid und zu „100 %” widersprechen wolle, würde ich auch gerne kommentieren Brauchst du nicht, machen wir nur vor Gericht.
Überhaupt frage ich mich, hat Trump denn einen Wahrheitsbegriff, der die Voraussetzung dafür böte, ihn auf eine intersubjektiv überprüfbare Aussage festnageln zu können? Bisher hat Trump mit dem Schlagwort „fake” für alles und jedes jedenfalls deutlich gezeigt, dass seine Wahrheit allenfalls subjektiv existiert – und dann ist es bekanntlich keine.
Lehrstunde in Sachen Interdependenz – Kündigung des Klimaschutzabkommens
Nicht einmal entgegengesetzte Stimmen im eigenen Lager und der eigenen Familie konnten Trump davon abbringen, sein America-First-Mantra auch gegen das Pariser Klimaschutzabkommen in Stellung zu bringen. Geradezu als Frechheit mutet die Erwartung an, das unter großen Mühen geschnürte Verhandlungspaket neu aufzurollen und nach amerikanischen Vorgaben neu zu verhandeln. Von so wichtigen Grundsätzen wie Pacta sunt servanda (Verträge müssen geschützt werden), die seit 2000 Jahren gelten, geht Soziopath Trump einfach mal ab.
Der Herr will es offenbar auf die harte Tour… Versuchen wir doch einfach mal für das nächste halbe Jahr – also bis zum 3.12.17 – so vollständig wie möglich auf Produkte von US-amerikanischen Firmen zu verzichten. Sicher trifft es dabei auch Firmen, die jetzt schon ihre Gegnerschaft zum Vorgehen von Trump bekundet haben. Es wäre aber auch für diese Firmen Anlass, auf die amerikanische Öffentlichkeit und den Gesetzgebungsapparat noch stärker Einfluss zu nehmen, um Trumps Entscheidung vom 1.6.17 wieder zu kassieren.
Wichtig wäre dazu, dass du / Sie deine / Ihre Boycott-Absicht an möglichst viele weitere Menschen auf allen möglichen Wegen mitteilst / mitteilen. Geben wir Herrn Trump eine Lehrstunde in Sachen Interdependenz…
Killerphrase Kuffar – Bataclan, Nizza, Berlin, Manchester…
Wer bei google das Suchchwort „Kuffar? (Ungläubiger) eingibt, wird über eine Million Treffer erhalten. Für viele Muslime ist das ein Teil ihres dichotomen Weltbildes, hier die guten Gläubigen, dort die Ungläubigen. Wenn man Glück hat, wird man auf einigen dieser Seiten noch Hinweise auf das „Volk des Buches“ finden. Damit werden Juden und Christen gewisse Sonderkonditionen eingeräumt, die sie erhalten, weil sie ebenfalls eine Schrift als Offenbarung Gottes bekennen. Im übrigen finden sich häufig mehr oder wenige krude Seiten, die beschreiben, wie im Jihad (hier verstanden als Kampf gegen die Ungläubigen) im Alltag, aber auch im offenen Krieg gegen die „Kuffar? vorzugehen sei.
Nach dem Anschlag auf das Bataclan, nach Nizza, Berlin und neuerdings Manchester muss sich der europäische Mehrheitsislam die Frage gefallen lassen, wie er mit dieser Unterscheidung von Recht- und Ungläubigen in Zukunft umzugehen gedenkt. Ist es doch dieser Begriff, mit dem islamistische Terroristen diverser Provinienzen ihre Anschläge rechtfertigen.
Wenn es tatsächlich um einen friedlichen Umgang, vielleicht sogar um ein bereicherndes Zusammenleben zwischen Christen, Muslimen, Juden, Jesiden, Hindus, Buddhisten, Nicht-Gläubigen usw. gehen sollte, muss dieser Begriff aufgegeben werden.
Letztlich unterscheidet er sich nicht von der Nazi-Ideologie, die u.a. Juden, Roma, Behinderten das Lebensrecht absprach. Der „Ungläubige? dieser Zeit wurde nur „Untermensch? genannt.
Ebenso dürfen Menschen, die sich vom Islam abwenden, nicht als Apostaten verfolgt oder gar getötet werden. Auch die aggressive Mission von Muslimen („Lies!? und andere Salafistenvereinigungen) sollte auch innerhalb der muslimischen Community auf ihre Berechtigung kritisch befragt werden.
Ziemlich rasch könnte und sollte im Gegenzug islamischen Gemeinden, die sich auf Deutschsprachigkeit und Anerkennung des Grundgesetzes verständigen können, die gleichen steuerlichen Vorteile gewährt werden wie anderen Religionsgemeinschaften auch. Dort, wo friedfertige Muslime Einfluss auf ihnen entgleitende Jugendliche oder auch Erwachsene ausüben, muss der Staatsschutz nicht eingreifen. Von dem wünsche ich mir, dass er auf das militante Islamistenmilieu genauer guckt.