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Eindrücke, Ideen & Kommentare

Narziss und Goldmund – Was Trump nie lernen wird

Am 3.11.2020 wird in den USA gewählt. Auch wenn Trump zur Zeit einiger Wind ins Gesicht bläst, bin ich noch nicht überzeugt, dass wir diese Oberpfeife in diesem Jahr los werden. Hatten die Amerikaner in Irland vor vier Jahren nicht auch erzählt, der wird es nie werden? Und kann er nicht darauf rechnen, dass seine Parteigänger alles Legale und Illegale daran setzen werden, ihn zu behalten? Selbst, wenn dies zu einem Bürgerkrieg führen würde…

Was wir in den letzten 4 Jahren vermisst haben, lässt sich der Rede Barack Obamas anlässlich einer etwas anderen Democratic Convention entnehmen: Ein empathie-begabter Mensch, der ein klares Bewusstsein davon hat, dass ein Präsident nach der Wahl für alle Bürgerinnen und Bürger zuständig ist. Ein Präsident, der lauter gerade, bedeutungsvolle Sätze hintereinander kriegt, dessen Körpersprache das gesprochene Wort wirkungsvoll und authentisch unterstützt.

Treffend bemerkte ein Kommentator auf youtube über den narzisstischen Schmollmund hingegen: Donald Trump hasn’t grown since age 10.

Amerika, du musst es dieses Mal besser hin kriegen. God bless you.

Toíbín: House of Names

Toíbín segelt eher unter dem Radar der Literaturkritik, soweit es um die ganz großen Namen geht. Dabei ist sein 2017 veröffentlichter Roman House of Names ein packendes Stück Literatur und stilistisch Maßstäbe setzend.

Das Personal und einige Elemente des Plots entnimmt Toíbín klassischem griechischen Tragödienstoff. Die Hauptfiguren, nach denen auch einige der Kapitel benannt sind, sind Klytemnestra, Agamemnon, Iphigenie, Orestes, Ägisthos und Elektra. Zutat von Toíbín ist Leander als Ausbruchshelfer und Freund von Orestes. Der Ausgangspunkt der Handlung ist das Opfer der Tochter Iphigenie durch ihren Vater Agamemnon. Mit diesem sollen die Götter für eine Wende im steckengebliebenen Krieg um Troja gewonnen werden. Soweit klassisch, auch mit der Frage, in wieweit die Götter geeignet sind, sich an ihnen zu orientieren. Klytemnestra kann diesen Mord aus Staatsräson nicht verhindern und sinnt auf Rache. Um Orestes aus der sich abzeichnenden familiären Fehde herauszuhalten, wird er wie auch eine Reihe anderer junger Männer entführt und im Abseits festgehalten.

Was und wie Toíbín die Handlung anschließend entwickelt, ist teilweise spannender als ein Kriminalroman zu lesen. Dabei ist seine Prosa absolut schnörkellos und fesselnd. Kein überflüssiges Wort lenkt ab, Beschreibungen von Personen und Landschaften sind knapp und auf das Wesentliche beschränkt. Den Rest besorgt die Leserin / der Leser per Imaginierung. 260 Seiten (in der englischen Ausgabe) reines Lesevergnügen, an das man auch nach Tagen noch dankbar, vielleicht sogar berührt, zurückdenkt.

In deutscher Ausgabe bei Hanser: Colm Tóibín, Haus der Namen, Übersetzung Giovanni Bandini und Ditte Bandini, 24 €. Die englische Originalausgabe bei Penguin / Random House, ~ 9 €.

Christentum und Ferner Osten

West nach Ost

Obwohl geographisch sehr entlegen, war das Interesse von christlichen Ordensleuten an China und Japan schon früh groß. Bereits Ende des 16. Jahrhunderts zogen die Jesuiten Matteo Ricci (siehe Bild) und Michele Ruggieri mit Zwischenstationen nach China. Sie ließen sich dort auf Sprache und Kultur dieses großen Landes ein. Ricci schlüpfte in das Gewand eines buddhistischen Mönchs und fand durch seine vielfältigen wissenschaftlichen Kenntnisse Beachtung. Er gewann nicht wenige Menschen für das Christentum und starb als geschätzter Gelehrter 1610 in China. Ihm wurde die Ehre zuteil, auf einem Friedhof in Peking beigesetzt zu werden.
Eine Besonderheit in seiner Vermittlung des Christentums war, dass er den traditionellen Ahnenkult nicht abwertete, sondern – letztlich vergeblich – in seine geistige Sendung zu integrieren versuchte.
Weniger erfolgreich war der Versuch von Jesuiten, in Japan das Christentum bekannt zu machen. Eindrucksvolle Zeugnisse dieses Scheiterns liegen in Scorseses Film und der gleichnamigen Buchvorlage von Endo (“Silence”) aus jüngster Zeit vor. Sowohl in China als auch in Japan spielt das Christentum heute eher eine untergeordnete Bedeutung.

Ost nach West

Gedanken- und Ideenaustausch fand – und findet noch heute – auch in der Gegenrichtung statt. Hier ist vor allem an Zen zu denken, der von verschiedenen Menschen als Bestandteil christlicher Meditationspraxis etabliert wurde. In Japan hat sich der 1990 verstorbene und aus Deutschland stammende Hugo Enomiya-Lassalle SJ als einer der ersten dieser aus dem Buddhismus stammenden Meditationsform geöffnet. In Deutschland ist weiterhin Stefan Bauberger SJ zu nennen, der Zen aktiv betreibt und für kirchliche Praxis für wertvoll hält. Unter dem Namen Ashram Jesu gibt es in Oberzeuzheim, in der Nähe von Limburg und Hadamar gelegen, und in St. Peter, Köln, Initiativen, Zen in einem christlichen Umfeld zu betreiben.

 

Retreat in the city from the city – anders reisen

Reiseerfahrung im allgemeineren Sinne ist nicht notwendigerweise an Verkehrsmittel gebunden – eine wichtige Erkenntnis in Covid-19-Zeiten: Wir – meine Schwestern und ich – konnten als kleine Kinder zum Beispiel hingebungsvoll Schiffsreise spielen auf dem Chaiselongue unserer Küche in Troisdorf. Und entkamen den beengten Verhältnissen.

Meditation kann ähnliche Erfahrungen eröffnen: Abschied vom Alltag, Heraustreten aus dessen Zwängen und Anforderungen, Hinwendung zu etwas Neuem, das Gott heißen kann. St. Peter in der Jabachstraße hat in diesem Sinne am Ende der Sommerferien zum zweiten Mal eine Auszeit unter dem Titel Retreat in the city from the city angeboten. Der Name ist Programm: keine ländliche Abgeschiedenheit mit Kühen, stattdessen Nähe zum Neumarkt mit seinem Drogen-Hotspot und dem Drogenkonsumraum im Cäcilienhof. Dafür aber ein karger und trotzdem einladender, leerer Kirchenraum, in dem ein Chillida-Altar, ein Gerhard-Richter-Bild (als Ersatz für den in Restaurierung befindlichen Rubens) und weitere Kunst aus einigen Jahrhunderten Akzente setzen. Dazu kommt ein einladender Innenhof mit drei Schatten spendenden Platanen, zur Straße abgeschirmt durch eine Mauer.

Der Kurs dauert 4 1/2 Tage und wird von Ada von Lüninck, Stephan Kessler SJ und Dominik Sustek kundig angeleitet. Wesentliches Element ist das Sitzen in der Tradition des Zen: 40 Minuten Sitzen, 20 Minuten Gehen – zur vollen Stunde wieder das Gleiche. In der Mittagszeit wird ein einfaches Essen angeboten, das von den 8 Teilnehmer*innen selbst zubereitet wird. Wenn das Tagesprogramm gegen 17.30 Uhr endet, weiß jede / r, was sie / er getan hat. An drei der Tage schließt sich ein sehr schlichter Gottesdienst an.

Der geistige Input ist spärlich, aber ausreichend: einige Texte an der Wand (darunter der Bernhard-Text von unten), etwa 20 Buchtitel zum Thema Exerzitien, Meditation und geistige Begegnung zur Auslage. Dazu kommt das Angebot zu zwei etwa 20-minütigen Gesprächen mit einer der anleitenden Personen. Als Programm für eine wohltuende, aber auch fordernde Auszeit reicht das allemal.

Katholische Kirche in Köln wird oft und meistens zu recht gescholten. Wenn sich Kirche so allumfassend (?????????) präsentiert wie an diesem besonderen Ort St. Peter und mit diesen besonderen Tagen, kann ich nur sagen Mehr davon. Herzlichen Dank an Ada von Lüninck, Stephan Kessler und Dominik Sustek.

Bernhard von Clairvaux

Du musst nicht über Meere reisen,

musst keine Wolken durchstoßen
und musst nicht die Alpen überqueren.
Der Weg, der dir gezeigt wird, ist nicht weit
Du musst deinem Gott nur
bis zu dir selbst entgegengehen.

Retreat in the city from the city – Remix

Am Anfang steht die Frage: Stuhl oder Bänkchen? Für jeweils 40 Minuten direkt mit dem Bänkchen einzusteigen, verwerfe ich. Es geht ja beim Zen-Sitzen darum zur Ruhe zu kommen. Also Stuhl, nach der Verneigung sich hinsetzen, Hände schalenförmig ineinander gelegt, nach kurzer Zeit ertönt ein Gong. Es kann losgehen. Versuch eines exemplarischen Erlebnisprotokolls:

Dominik lädt zu einem Body Scan ein. Also spüre ich nach, wie die Füße, die Beine, das Gesäß, der Rumpf, der Kopf, die Schultern, Arme und Hände sich anfühlen. Das regelmäßige Atmen und die Ruhe im Raum hilft runterzukommen. – Du musst noch das Altglas wegbringen lässt sich die innere Quasselstrippe vernehmen. – Nicht wichtig, wegatmen. – Vom Cäcilienhof lässt sich ein Lachen vernehmen: richtig, ich bin in der Stadt und nicht in Bullerbü. Drogenkonsum und Lachen schließen sich nicht aus. – Allmählich gelingt es mir besser, das Atmen fließen zu lassen. Wenn ich zu sehr das Ausatmen betone, kommt allerdings der nächste Atemzug mit ein bisschen Not. Das lernt sich, bin ich mir sicher. – Von ferne ein Martinshorn – nicht wichtig, weiter atmen. – Die Tauben gurren auf dem Dach, schön entspannend. Die genießen den warmen Sommertag genauso wie wir in der kühlen Kirche. Was erzähle ich hinterher? Der innere Reportgenerator hat doch Ausgang, hat aber das Wort Geh’ mal offensichtlich nicht hören wollen. – Also weiteratmen. Irgendwann werde die inneren Stimmen gedämpfter und bleiben phasenweise ganz weg – ich kann den Satz, den ich mir für diese Sitzung selbst gewählt habe Gott wendet sich mir zu anders vergegenwärtigen.

Und dann nach drei von diesen seidigen Atemzügen, die nicht gemacht sind, ist der Kanal auf einmal von allen Störeinflüssen gereinigt. Mir ist auf einmal sonnenklar, tatsächlich Gott wendet sich mir zu – ohne Bedingung, unverdient,  gratis, mir mit meinen Macken und Mängeln. Wie überwältigend ist dann denn?! Ein Gefühl zum Eintüten* – was natürlich nicht geht. Die Erfahrung lässt sich zwar nicht beliebig reproduzieren, aber mit beharrlichem Weiteratmen lassen sich die Voraussetzungen schaffen – das ahne ich. Irgendwann ertönt das Glöckchen zum zweiten Mal: vierzig Minuten waren dann gar nicht soo lang. Der lichtdurchflutete Kirchenraum und der schattige Innenhof von St. Peter laden ein, im Gehen behutsam Welt und andere Körpereindrücke wieder zuzulassen. Bis dann ein Ton zur nächsten Sitzung einlädt.

*Ich bin nicht der einzige, der ein Exzellenzerlebnis bewahren möchte. Bei Petrus, bekannt für seine Übersprungshandlungen,  – wie ich im Tagesevangelium des schlichten Abschlussgottesdienstes erfahre – heißen die »Tüten« Hütten:
Und Petrus antwortete und sagte zu Jesus: Herr, es ist gut, dass wir hier sind. Wenn du willst, werde ich hier drei Hütten bauen, eine für dich, eine für Mose und eine für Elija. (Mt 17,4)

Surfing NRW & Nijmegen

Wir sind die Fettaugen auf der Corona-Suppe sprach meine bessere Hälfte. Tatsächlich waren wir – trotz der Einschränkungen – privilegiert und konnten z.B. mit der Ferienaktion der KVB für Inhaber des 60plus-Tickets am Wochenende kostenlos zu zweit in NRW rumreisen. Wäre schön, wenn etwas Ähnliches auch nach Corona existieren würde. Ein bisschen Wiedergutmachung für viele ausgefallene oder verspätete Bahnen, stände der KVB auch in Zukunft gut an.

Surfing NRW & Nijmegen – Galerie

Krieg gehört geächtet, Kriegskleidung auch

Dass nicht wenige migrantische Männer und Jugendliche mit dieser Kleidung herumlaufen, eher unangenehm. Dass aber die Kriegskleidung inzwischen – geschlechtsübergreifend – auch in der Mitte der Gesellschaft angekommen ist, gibt zu denken. Eine google-Suche nach diesen 4 Stichwörtern camouflage kleidung damen herren lieferte immerhin eine Trefferzahl von Ungefähr 4.790.000 Ergebnissen.

Ist es der Kick, etwas Unangepasstes zu tun, der Menschen dermaßen daneben greifen lässt? Will man / frau sich mit Vorsatz in die Nähe von Preppern, Paintball-Aktivisten, vielleicht sogar Wehrsportvereinigungen begeben – ich hoffe nicht.

Zur Erinnerung: Krieg tötet, jeden Tag, körperlich und seelisch. Es ist noch nicht einmal damit ausgestanden, dass eine Person Kriegsfolgen für sich individuell erleidet. Oder auch stirbt! Häufig werden Kriegsfolgen sogar transgenerationell weitergegeben.

Vielleicht bin ich nicht das beste Beispiel, aber bedrückt hat es mich schon: In den 60er Jahren hatte ich mein eigenes Zimmer neben dem Schlafzimmer meiner Eltern. Wie oft habe ich meinen Vater – der rettende Granatsplitter kam gerade rechtzeitig vor Stalingrad – Mama, Mama brüllen gehört, wenn ihn mal wieder Angstträume befielen.

Auch mein Schwiegervater war, obwohl dem Leben zugewandt, zeitlebends davon geprägt, dass er als 14jähriger Flak-Helfer nach den verheerenden Peter-und-Paul-Angriffen 1943 in Köln Leichen im Griechenmarktviertel in Köln beseitigen musste. Keller, in denen zu viele Leichen lagen, wurden mit einer Schüppe Kalk bedacht und zugemauert. Dieses Viertel war für ihn No-Go-Area für den Rest seiner Jahre.

Also Leute, denkt noch mal nach: Krieg ist nichts, dass man spielerisch zum Alltagsgegenstand machen sollte oder mit dessen Kleidung sich kokettieren ließe – Tarnkleidung ist Soldatensache. Punkt. Im übrigen sollte gelten: Schwerter zu Pflugscharen (Micha 4,3), Camouflage-Kleidung zu Putzlappen

Mr. B. Scheuer?

Verglichen damit, dass diese Zeiten wahrlich besondere Anforderungen stellen, sind die Leistungen der aktuellen Bundesregierung insgesamt ganz in Ordnung. Es gibt allerdings personenbezogen Ausnahmen: An erster Stelle fällt mir hier der Name des Verkehrsministers Andreas Scheuer ein.
Die Liste seiner Fehlleistungen ist schwerwiegend:

• PKW-Maut: Nur zu gut nachvollziehbar ist, dass Deutschland in seiner Lage in Zentraleuropa in- und ausländische private Autobahnnutzer genauso zur Kasse bittet, wie das in der Schweiz, Österreich und Frankreich schon lange der Fall ist. Sein dafür vorgesehene Gesetzesentwurf war aber so schludrig und selektiv erarbeitet, dass er erwartbar vor dem Europäischen Gerichtshof scheiterte. Das ist das grob fahrlässig. Kosten für den Steuerzahler: 70 Millionen Euro und Schadensersatzansprüche beteiligter Firmen in Höhe von 500 Millionen Euro.
• Auch bei der Diskussion um eine generelle Geschwindigkeitsbegrenzung auf deutschen Autobahnen zeigte sich der Minister als Vertreter der Bleifüße: Die positiven Auswirkungen einer solchen Geschwindigkeitsbegrenzung spürt jeder, der von Deutschland aus die Grenzen in Nachbarländer überschreitet: Es wird weniger hektisch und sicherer gefahren. Die Konsequenz: weniger Verkehrstote, weniger Kohlendioxid. Das sollte einem Minister, der für eine “C”-Partei im Bundestag sitzt, gut anstehen. Auch hier hat sich Herr Scheuer strikt geweigert und erzählt etwas von „intelligenten” Lösungen.
• Auch bei dem im April 2020 verabschiedeten neuen Bußgeldkatalog hat das Ministerium von A. Scheuer offenbar so nachlässig gearbeitet, dass das vollständige Inkrafttreten der Änderungen verhindert wurde. Die Maßnahmen sollten u.a. die Strafen für Geschwindigkeitsüberschreitungen verschärfen. Manche Menschen haben hier sogar Vorsatz vermutet.

Sehr geehrter Herr Scheuer, ich finde das reicht. Treten Sie zurück und machen Sie mal was anderes. Es wäre doch unvorteilhaft, wenn das Wortspiel aus dem Titel in „bescheuert” umzusetzen wäre. Die Wähler danken es Personen, die beizeiten zurücktreten: siehe Cem Özdemir, Bonusmeilenaffäre…

Karikaturen zu den Leistungen des Ministers finden sich reichlich:

„Vorschlag zur Güte

Badische Zeitung

Tagesspiegel

Grüner wird’s nicht – Sommerkino in der Mediathek

Selten ist Fernsehen im Degeto-Format vergnüglich. Deshalb soll hier auf ein nettes und mit dem notwendigen Maß an Tiefgang versehenes „Roadmovie” hingewiesen werden. Schon als Qualitätsmerkmal kann man verbuchen, dass das 90-Minuten-Korsett abgelegt wird.

Überzeugend Elmar Wepper, eine vom Gaga-Sprößling zur warmherzigen jungen Frau mutierende Emma Bading und eine mit sprödem Charme versehene Dagmar Manzel. Noch eine Weile hier in der Mediathek zu sehen.