Zwei oder drei Jahre trug ich tatsächlich einen Aufnahmeantrag für die SPD in meinem Portemonnaie* mit mir rum. Es war das Jahr 1972 und Willy Brandt musste um seine Wiederwahl bangen im großen Ringen um die Ostverträge. Das schien mir wert, unterstützt zu werden.
Das kommt mir heute angesichts vieler Wendungen und Windungen dieser Partei schon sehr weit weg vor. Wer ging da nicht alles aus und ein als Vorsitzende(r): Helmut Schmidt, Helmut Vogel, Björn Engholm, Gerhard Schröder, Andrea Nahles? Das sind die, die mir gerade einfallen.
Betrachte ich heute, was aus dieser Partei mit der langen Geschichte und ihrem verdienstvollen Eintreten für Demokratie und Rechte der kleinen Leute geworden ist, kann ich nur sagen “Geh weg”: Die Spaßbremse Saskia Esken und Kevin Kühnert meinten tatsächlich zu Wolfgang Thierse und Gesine Schwan sagen zu müssen, sie “schämten” sich ihrer. Noch krasser ein Zitat aus dem Spiegel von dieser Tage:
»Tja, selbst schuld. Wer schwulenfeindliche, reaktionäre, hinterwäldlerische, faschistoide Dreckscheiße von sich gibt, muss mit so einer Reaktion rechnen. Treten Sie zu den Religionsfaschisten von der Union über und werden Sie dort glücklich. Ein verärgerter schwuler Genosse.«
Alles im Namen einer “Identitätspolitik”, die fein säuberlich für jede minoritäre Gruppe haargenau die richtige Interessenvertretung einfordert, die aber kaum so etwas wie Common Sense zulässt. Was wäre z.B. falsch daran, wenn die Lyrik der großartigen Amanda Gorman (siehe Biden Amtseinführung) nicht von jemandem übersetzt würde, der genau die gleiche Pigmentzusammenstellung hat wie diese? Hier wird doch – wollten wir nicht von der Definition von Rassen weg – durch die Hintertür genau diese Kategorie wieder eingeführt.
Leute, ich kann da kann nicht mehr mit! Hatte ich bislang mit meiner Erststimme Rolf Mützenich gewählt, ist der schon wegen seiner für mich nicht nachvollziehbaren Haltung zum Thema Drohnen nicht mehr wählbar. Die Zweitstimme wird diese Partei erst recht nicht bekommen, wenn ein vertrauenswürdiger Mensch und aufrechter Demokrat und Bürgerrechtler wie Wolfgang Thierse dermaßen unter Feuer gerät. Da kann ich nur sagen: “Macht euren Driss alleine”. Wenn Esken & Co demnächst bei 17 % gelandet sind, werde ich wahrlich keine Träne verdrücken.
Ein weiterer Religionsfaschist…
FAZ-Artikel, die in diesem Zusammenhang spannend zu lesen sind:
• Wolfgang Thierse: Wie viel Identität verträgt die Gesellschaft? (22.2.2021)
• Jürgen Kaube, Worauf will die SPD verzichten? (3.3.2021)
• Peter Brandt und Detlef Prinz, Wie „verqueer“ ist die SPD? (8.3.2021)
Ein erfreulich unaufgeregtes Gespräch zwischen Gesine Schwan (SPD) und Ulrich Matthes (Act out) zum Thema “Identitätspolitik” in der Süddeutschen.
*Vielleicht noch spannend auf ein Detail hinzuweisen am 8.3., immerhin Welt-Frauentag: Der Juso, von dem ich den Parteiaufnahmeantrag beim Plakatekleben 1972 entgegen nahm, phantasierte darüber, eine der jungen Kirchgängerinnen, die vorbeigingen, mit aufgelegtem Willy-Plakat zu vergewaltigen. Ich schäme mich heute, überhaupt unter solchen Umständen den Antrag entgegen genommen zu haben. Wer’s nicht glaubt, fragt Schulfreund Reinhard E.
Die Zahlen bei den Schutzimpfungen gegen Covid-19 sind ernüchternd: Deutschland erreicht bis 3.3.21 6.604.578 Impfungen, Köln 46.514 (bis 4.3.21). Legt man das Tempo von damit erreichten 694 Impfungen in Köln pro Tag zu Grunde, würde es weitere 941 Tage dauern, bis 700.000 der einen Million Kölner Einwohner geimpft wären. Das sind fast 3 Jahre! Ein ähnliches Ergebnis stellt sich ein, wenn Deutschland betrachtet wird: Selbst wenn ein bescheidenes Ziel formuliert wird und nur 50 Millionen weitere Deutsche geimpft werden sollen, würde dies – mit dem bislang erreichten Tempo (98.576 Impfungen / Tag) weiterbetrieben – noch 507 Tagen dauern.
Migration ist wie viele andere soziale Phänomene nach beiden Seiten offen: Sie eröffnet Chancen der Begegnung von Kulturen und Menschen. Sie produziert aber genauso Haltungen und Taten, die eine offene Gesellschaft nicht akzeptieren kann.
Christinnen und Christen weht zur Zeit ein rauher Wind um die Nase. Das hat mit der sattsam bekannten zögerlichen Bearbeitung des Skandals um sexualisierte Gewalt zumal hier im Kölner Bistum zu tun. Gott sei Dank gibt es mehr zum Thema Christentum, mit dem sich die Beschäftigung lohnt und die positive Seite des Christentums ins Licht rückt. Ein Beispiel ist der Diognet-Brief – etwa aus dem Jahr 190 n. Chr. – der ein erstaunlich selbstbewusstes und hoch-attraktives Christentum demonstriert: Gerade die Gastfreundschaft brachte der Untergrundreligion Christentum vor der Konstantischen Wende viele neue Anhänger.
Schön ist es nicht, an das heute erinnert werden muss: Am 27.1.1945 erreichten russische Truppen das Vernichtungslager Auschwitz und konnten zumindest einige wenige Jüdinnen und Juden vor der Vernichtung bewahren. Es ist aber konstitutiv für die Bundesrepublik Deutschland, dass dieser beispiellose Genozid nicht relativiert oder sogar als Fliegenschiss in der deutschen Geschichte (Gauland, AfD) verharmlost wird, sondern erinnert wird. Das soll kein weiteres mal geschehen, weder hier noch sonstwo.
Mein Zugang zu Meyerhoff
Der türkische Mäzen und Kulturförderer Kavala wurde zwar erst im Februar 2020 im sogenannten Gezi-Prozess freigesprochen. Noch im Gericht wurde er jedoch erneut verhaftet und sah sich dieses Mal beschuldigt, am Putschversuch gegen Erdogan vom Juli 2016 beteiligt gewesen zu sein. Irgendwelche Beweise dazu wurden nicht vorgelegt. Ein Antrag an das Verfassungsgericht der Türkei, den Fall Kavalas erneut zu verhandeln, wurde gerade mit 8 zu 7 Stimmen abgelehnt.
