Wir schreiben das Jahr 1944. Der Untergang Hitlers und seines Reiches zeichnet sich ab. Hitlers Schergen nehmen einen direkteren Zugriff auf das verbündete Ungarn: dadurch droht nun auch der jüdischen Bevölkerung Ungarns die Vernichtung. Das sind die Rahmenbedingungen für Kertécs’ Roman, den er ausdrücklich nicht als Autobiographie eingestuft wissen will.
Zum Roman: Györgi Köves, das erzählende Ich des Romans, wird im Sommer ’44 auf der Straße zusammen mit anderen Jungen aufgegriffen. Anfangs will er diesem Vorgang noch den Schein von Normalität geben. Der festnehmende Polizist hat für den Jungen – Kertécs und sein Alter Ego wurden mit 14 verhaftet – eher wohlwollende Züge. Erst als der Marsch aller festgesetzten Jugendlichen und Erwachsenen in eine Ziegelei erfolgt, wird der Zwangscharakter der Unternehmung und die Bedrohung deutlich.
Kertécs bleibt aber durchgängig bei der Perspektive des mit 14 Jahren noch naiven Jungen. Keine nachträgliche Reflektion bewertet aus der Rückschau die sich immer weiter zuspitzenden Ereignisse.
Kein Mensch käme auf die Idee, diese sorglosen Bilder mit dem wenige Zeit nachfolgenden, von Deutschen begangenen Völkermord in Verbindung zu bringen: Ein knappes Dutzend Mädchen hat offenbar Spaß auf einer Geburtstagsfeier im Mai 1931 in Berlin. Ich fand diese Bilder ebenfalls im Fotoalbum meiner Mutter, vermutlich aufgenommen von meiner Großmutter. Sie zeigen Lili Cassel (die 1. in der Reihe auf dem obersten Bild), meine Mutter ist dort die vorletzte. Glücklicher Weise konnte Lili Cassel gemeinsam mit ihrer Schwester Ewa zunächst nach England entkommen. Später emigrierte die ganze Familie in die USA.