Archiv der Kategorie: Blog

Eindrücke, Ideen & Kommentare

…home of the brave

Es fühlt sich wirklich verquer an: Amerika, das home of the brave (Star Spangled Banner), als das es sich z.B. bei der Befreiung meines Landes von den Nazis erwies, mutet jetzt seiner eigenen Bevölkerung – allen voran den Afro-Amerikanern – Unerhörtes zu. Es scheint fast ein Spiel zu sein, wo die Schmerzgrenze der eigenen Bevölkerung liegt, zu testen, wie brave Frau und Herr Jedermann tatsächlich sind:

Ein völlig unzureichendes Gesundheitssystem, das nur für Leute mit Scheckheft (vielleicht) funktioniert, wird noch auf Wochen ansteigende Krankenzahlen zu verkraften haben, ohne dass dieses den Zahlen auch nur annähernd gewachsen wäre. Särge werden in Massengräbern beigesetzt, im Fly-Over-Land gibt es kaum Bettenkapazitäten etc. pp. Gleichzeitig meint der oberste …Mensch schon, Meinungen positiv weitergeben zu müssen, die die Stellung von einem der wenigen in der Entourage geduldeten Pandemieexperten Fauci untergraben. Kann dieser Knallcharge nicht mal jemand eine Ohrpfeife verpassen? Ich würde diese außergewöhnliche Maßnahme durch die minimale Aussicht, dass er auch nur ein wenig zur Besinnung kommen könnte, gerechtfertigt sehen.

Wir werden stattdessen schon bald sehen, dass Trump die Maßnahmen zur sozialen Distanzierung wieder einschränken, wenn nicht sogar aufheben wird. Die Wiederwahl muss ja her, Einbrüche in der Ökonomie vertragen diese nicht. Dann wirst du, USA, dich noch ganz anders als home of the brave erweisen müssen. Ein Vorschlag für die Patriotismus-Kommission: Sterne im Star Spangled Banner konsequenterweise pro 10.000 Gestorbenen durch Kreuze ersetzen. In einem von Foxnews sedierten Amerika scheint kein energischer Widerspruch zu erwarten zu sein.

WHO: ja oder nein? – Was darüber ist, das ist vom Übel

Dieser Präsident des großen Landes schafft es in seinen momentan täglichen Pressekonferenzen sich in einer Frage in 90 Minuten fundamental zu widersprechen. So geschehen in der Frage, sollten die Beiträge an die Weltgesundheitskonferenz (WHO) beibehalten oder gekürzt werden. Das hat auch die New York Times beunruhigt.

Was soll man aber von einem Präsidenten anders erwarten, der sich morgens bei der Entscheidung, welchen Fuß er in welchen Schuh stecken soll, schon intellektuell verausgabt hat. Wahrscheinlich hören auch die Kammerdiener ein weiteres ?I’m doing a great job?, wenn der Mann die Knöpfe und die Löcher seines Hemdes richtig zuordnet hat.

Amerika, du bist manchmal auch richtig bescheuert – aber diesen Mann hast du nicht verdient.

P.S. 16.4.2020: Die Mittel für die WHO sind inzwischen gestrichen, sehr zur Sorge mancher Menschen aus dem Gesundheitsbereich. Dies fand ich heute in der New York Times und kann nur sagen Jau, so ist es wohl.

In Trump, alas, we have the opposite: a man renowned for intellectual incontinence, rather than discipline. His plans to fight this pandemic vary from hour to hour, minute to minute. He has all the focus of a moth. It’ll miraculously disappear I mean it’s a mild flu I mean it’s serious I mean reopen the country I mean don’t reopen the country I mean yes reopen the country I mean I have absolute authority I mean the governors will do it.

His prefrontal cortex — the very part of the brain that controls executive function, anticipating and regulating and decision-making — is entirely offline.

Zu Hause programmieren lernen – calliope-Platinen werden verschenkt

Die calliope-Platine ist eine erfolgreiche Gemeinschaftsarbeit von verschiedenen Forschungseinrichtungen und einer privaten gemeinnützigen Firma. Eine an Scratch angelehnte Programmiersprache macht das Einfügen neuer Befehle so einfach wie das Zusammenfügen von Puzzle-Teilen. Sehr einfache, aber auch ziemlich anspruchsvolle Anwendungen lassen sich verblüffend rasch herstellen. Wem die Sensoren auf der Platine nicht reichen, bindet externe ein. So genial!

Wie die c’t meldet, bietet das Fraunhofer IAIS-Institut nun für 2000 Kinder und Grundschullehrer (leider auf NRW beschränkt) die Platine kostenlos an. Die unfreiwilligen Covid-19-Ferien lassen sich so sinnvoll füllen.

USA – doppelt gestraft

Manchmal weiß man nicht, womit US-Amerika mehr gestraft ist: Ist es Covid-19 oder ist es Trump? Die Unfähigkeit dieses Präsidenten angesichts der medizinischen Katastrophe schlägt sich jedenfalls doppelt negativ nieder. Hier einige Kabinettstücke aus den letzten Wochen:

Ignoranz 
Trump empfiehlt ein ungeeignetes Heilmittel gegen Covid-19, Mann stirbt in Arizona, auch Nigeria betroffen. & Völlige Fehleinschätzung der Lage (“we have it totally under control.”) 

https://edition.cnn.com/2020/03/23/africa/chloroquine-trump-nigeria-intl/index.html
https://theintercept.com/2020/03/24/trump-hyped-chloroquine-cure-covid-19-man-arizona-took-died/
https://www.theatlantic.com/ideas/archive/2020/03/trump-genius/609142/
Prahlen & Narzissmus 
Trump behauptet, es existierten genug Beatmungsgeräte und diese würden sinnvoll verteilt. 

https://theintercept.com/2020/03/24/donald-trump-says-americas-ventilator-shortage-was-unforeseen-nothing-could-be-further-from-the-truth/
https://nypost.com/2020/03/30/trump-says-hes-sending-ventilators-directly-to-hospitals-battling-coronavirus/
https://www.thedailybeast.com/trump-im-doing-a-great-job-fighting-the-coronavirus-and-100000-of-you-will-die
Andere beschuldigen 

https://www.washingtonpost.com/politics/2020/03/26/trumps-coronavirus-self-congratulation-tour-illustrated/
https://www.politico.com/news/2020/03/13/trump-coronavirus-testing-128971
https://nymag.com/intelligencer/2020/03/trump-blames-hospitals-for-coronavirus-mask-shortages.html


Hier noch eine große Anzahl weiterer Aussprüche, die die FAZ gesammelt hat: Man glaubt anschließend nicht, dass Trumps Zustimmungswerte steigen! Es fällt schwer, darüber nicht zum Zyniker zu werden.

Gottesdienst am Bildschirm – geht das?

jedes Teelicht auf dem Altar entspricht einer Fürbitte

Wenn ich mich selbst befrage, was mir – von den allgemeinen Kontakteinschränkungen mit Nachbarn, Freunden und Familienangehörigen abgesehen – am meisten in dieser Covid-19-Zeit fehlt, kann ich nur sagen: Gottesdienste und Sport (Schwimmen). Sport bietet Ersatzmöglichkeiten. Bei Gottesdiensten wird es schon schwieriger.

Bislang war für mich nur schwer denkbar, einen Gottesdienst am Bildschirm zu feiern: nicht der besondere Ort, der Weg zur Kirche, das Treffen mit Gleichgesinnten, die feierliche Atmosphäre, Orgel und bunte Glasfenster… Heute konnte ich mich aber davon überzeugen: es geht! Aus St. Dreikönigen, Bickendorf, vielleicht 2 Kilometer von hier entfernt, wurde ein von Stephan Matthey geleiteter Gottesdienst übertragen. Neben einigen Liedern bestand dieser aus einer Psalm-Lesung (im Wechsel), dem Tagesevangelium (Joh 11. 1) mit einer Evangelium-Teilen-Einheit, Fürbitten, dem Vater-Unser und einem Segen. Interaktiv gestaltet waren besonders der im Wechsel gelesene Psalm-Text, der Austausch zum Evangelium und die Fürbitten. Bei den letzten beiden Teilen wurden via Whatsapp oder per SMS Text- oder Sprachnachrichten während des Gottesdienstes empfangen und von Gemeindereferent Matthey vor Kamera und Mikrofon vorgetragen. Alles in allem ein begrüßenswerter Anfang, der neugierig auf mehr macht.

Über diesen Link lässt sich der Gottesdienst noch einmal ansehen, wobei ich eher dafür plädiere, den nächsten Gottesdienst am kommenden Sonntag, 5.4.20, 10.00 Uhr im gleichen youtube-Kanal zu verfolgen. Herzlichen Dank an Stephan Matthey und Thomas Roß (Musik) und Tim Kayser (Technik). Wenn ich mir was wünschen dürfte, weniger Neues Geistliches Lied-Lieder, sondern z.B. mal Huub Oosterhuis. Die Psalm- oder anderen Gebetstexte können vielleicht demnächst vorab per Mail oder im youtube-Kanal mit GL-Nummern oder auf andere geeignete Weise mitgeteilt werden, so dass man vom Buch aus mitlesen und -beten kann.

Die nächsten Termine:
– Palmsonntag, 5.04.2020, 10.00 Uhr
– Gründonnerstag, 9.4.2020, 19.30 Uhr
– Karfreitag, 10.4.2020, 10.00 Uhr
– Osternacht, 12.4.2020, 5.00 Uhr

P.S.: Ein Interview mit Prof. Julia Knop beleuchtet die grundsätzlichen Fragestellungen, die sich auch mit den gestreamten Gottesdiensten stellen (Hinweis von Prof. Höring).

Gebet um Gelassenheit – der Schlüsseleigenschaft in einer Krise

Zum ersten Mal stieß ich auf dieses Gebet an ungewöhnlicher Stelle: Sinéad O’Connor trägt es zu Beginn des Stücks feel so different vor. Es lautet in Englisch:

God, grant me the serenity to accept the things I cannot change,
courage to change the things I can,
and wisdom to know the difference.

und Deutsch:

Gott, gib mir die Gelassenheit, Dinge hinzunehmen, die ich nicht ändern kann,
den Mut, Dinge zu ändern, die ich ändern kann,
und die Weisheit, das eine vom anderen zu unterscheiden.

Mit dem Stichwort Gelassenheit lässt sich auch leicht ein Bogen zur augenblicklichen Situation schlagen. Wenn wir in diesen Covid19-Zeiten etwas brauchen, ist es Gelassenheit. Diese Eigenschaft – religiös ausgerichtete Menschen haben den Vorteil, sie mit ihrer persönlichen Vorstellung von Gott zu verknüpfen – bewahrt vor Panik, Setzen auf Latrinenparolen und Kurzschlussreaktionen. Menschen, die quasi immer Krise haben wie die Anonymen Alkoholiker, wissen, warum sie dieses Gebet zum Teil ihrer Arbeit machen.

Das Gebet wird dem amerikanischen Pastor und Theologen Karl Paul Reinhold Niebuhr zugeschrieben. Ähnliche Gebete gibt es auch in anderer Formulierung und von anderen religiösen Bekenntnissen.

Vielleicht verdient die zweite Zeile eine Hervorhebung: Es geht nicht darum, die Hände nur in den Schoß zu legen und abzuwarten, sondern auch zu handeln. Im Moment sieht das Handeln merkwürdig aus: Das vielleicht wichtigste Handeln ist bis auf weiteres, auf die Teilnahme am öffentlichen Leben so umfassend wie möglich zu verzichten. Hoffen wir, dass diese aktiv-passive Haltung bald dazu führt, dass sich die Ansteckungszahlen in Deutschland noch deutlicher verlangsamen als dies gegenwärtig der Fall ist.

Englische Dystopie nach einem Wendepunkt: The Wall

Ein epochales Eignis – the Change – hat das Land im Bewusstsein der Menschen in ein vorher und ein nachher geteilt. Die ganze britische Insel ist entlang der Küste von einer mehrere Meter hohen Mauer – der namengebenden Wall – nach außen abgeschirmt. Erinnerungen an ein unbesorgtes Leben am Strand gehören einer verblassenden Erinnerung an. Aber nur für die Alten, mit denen die jüngere Generation eine zunehmende Sprachlosigkeit pflegt.

Alle jungen Männer und Frauen sind zu einem 2jährigen Wachdienst unter sehr harten Bedingungen auf dieser Mauer verdammt. Es gilt, die Anderen (the Others) von Angriffen von See aus abzuhalten.

Das ist der Ausgangspunkt von John Lanchesters Roman The Wall, einer beklemmenden Dystopie aus dem Brexit-UK. Der 2019 veröffentlichte Roman liest sich aber heute noch viel beklemmender, da wir zu Beginn der Covid19-Pandemie eine ähnliche Zweiteilung befürchten können: ein Leben vor und ein Leben nach Covid19. Der Roman ist spannend zu lesen. Eine Paargeschichte (Liebesgeschichte wäre ein zu romantisches Wort) mildert die Düsternis. Covid19-Zeit ist Lesezeit!

Zelluläre Automaten – ein altes GMD-Tool ausgegraben

Bei der aktuellen Covid-19-Epidemie spielen Modellrechnungen eine große Rolle. Für solche epidemiologischen Berechnungen lassen sich auch zelluläre Automaten verwenden. (Ob dies heutiger Stand der Technik ist, kann ich nicht beurteilen). Ein bekanntes Beispiel für einen zellulären Automaten ist Conveys Game of life.

Beim Aufräumen auf dem Rechner fiel mir das Tool CAT (Cellular Automaton Tool) in die Hände, das vor Jahren in der GMD programmiert wurde. Das Tool CAT erlaubt es, mit einer einfachen Beschreibungssprache in Form sog. Recipes zelluläre Automaten zu formulieren. Bei diesem Programmierparadigma ist es möglich, in einer Matrix das Verhalten einer Zelle in Abhängigkeit der umgebenden Zellen zu verändern. Es ist mir nicht gelungen, unter gängigen Windows-Versionen das CAT-Tool zum Laufen zu bringen. Ich kann aber hier – für Interessenten – zumindest das Handbuch vorlegen.

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